SCHIENE regional - Bahnthemen Südwest

Elektrische Traktion auf der Schwarzwaldbahn (Teil 2)

Teil 1: 139 wird Schwarzwaldbahnlok | Teil 2: Die "Trabis" kommen! | Teil 3: BR 111 und der Interregio
Teil 4: Späte Blüte der 110 | Teil 5: Regionalzüge der letzten Einsatzjahre (1) | Teil 6: Regionalzüge (2)
Teil 7: Drehstrom auf dem Vormarsch | Teil 8: Die neue Schwarzwaldbahn-Lok 146.2 | Teil 9: Ahnen
Zusammenfassung des Einsatzes der Baureihe 110 auf der Schwarzwaldbahn von 1978 bis 2006

Neue Gesichter auf der Schwarzwaldbahn

In den Jahren 1985 und 1990 erscheinen zwei neue Gesichter auf der Mittelgebirgsbahn. Ab Mai 1985 werden mit der Baureihe 111 vor dem Fernexpress-Zugpaar FD 770/771 "Schwarzwald" (Hamburg - Konstanz) erfolgreiche Gehversuche auf der Schwarzwaldbahn unternommen. Im Vorlaufbetrieb und mit der Einführung der InterRegio-Linie 19 ab 28. Mai 1989 zwischen Kassel und Konstanz kommt sie im Zweistunden-Takt auf die Strecke. Den Eröffnungszug führte am 26. Mai die Lok 111 068-3 (BW Mchn 1). Mitte der neunziger Jahre wird die BR 111, trotz guter Bewährung, von den Drehstromloks der Baureihen 120 und ab 1996 auch von der Baureihe 101 verdrängt. Allerdings feiert die 111 im Jahresfahrplan 2005 ein Comeback vor IRE und RE, dazu weiter unten (ab Teil 3 BR 111 und ab Teil 7 Drehstromloks) mehr.

1990 spitzt sich der Lokmangel bei der Deutschen Bundesbahn dramatisch zu. Die Einheitsloks kommen "in die Jahre." Besonders die Stütze des Nahverkehrs, die BR 141, steht in großer Zahl schadhaft in den BW oder in der Warteschlange vor den AW. Einsparungen bei der Wartung, Fristverlängerungen und das wachsende Durchschnittalter der ganzen Flotte führen zu erheblichen Engpässen. Der Ausfall von Zügen wegen "Lokschaden" sind an der Tagesordnung. Dagegen sind die Verhältnisse in der DDR in jeder Beziehung im Wandel begriffen. Der starke Rückgang im bisher staatlich verordneten Schienenverkehr lässt Kapazitäten brach liegen. Und so kommt es zu einer ungewöhnlichen Transfermaßnahme von der DDR zur BRD.

Die "Trabis" kommen - noch vor der Wiedervereinigung

Viel aufregender als eine neue DB-Lok auf der Schwarzwaldbahn sind die Probefahrten von zwei Loks der DR ab 26. September 1990. Lokführer Heiner Bächle holt 143 925 und 926 vom Bw Halle ab, wo sie bereits von der DR-Baureihenbezeichnung 243 auf DB-konforme 143 umgezeichnet worden sind. Ab 15. September stehen beide Loks, die aus der 2. Bauserie ab 1988 stammen, vor der Schiebebühne des ehemaligen Bw Offenburg für die Tf-Schulung und den "Härtetest" auf der Schwarzwaldbahn bereit. Diese Lokbaureihe mit dem ungewohnten Erscheinungsbild, von der kantigen Lokkastenform mit den gesickten Seitenwänden bis zur dunkelrot-braunen Farbgebung, soll nach der guten Bewährung im Testbetrieb auf der westdeutschen Mittelgebirgsstrecke deutlich über zehn Jahre lang eine wichtige Rolle bei der Traktion von Reise- und gelegentlich auch Güterzügen spielen. Für 800,- DM pro Tag werden die Triebfahrzeuge zunächst von der Reichsbahn der DDR angemietet.

BR 143, bereit zur Abfahrt nach Konstanz
 
 
 
Äußerlich in der Ursprungsaus- führung steht 143 906 abfahr- bereit auf Gleis 2 in Offenburg mit einem Zug nach Konstanz.
 
Die Baureihennummer ist bereits 143, aber das Eigentumsmerkmal neben der Tür lautet: "DR".
 
Noch über das Jahr 2000 hinaus fahren einige Exemplare, inzwischen mit dem "Hunger-Keks" der DB AG ausgestattet, in der Farbgebung der DR.

Gewöhnungsbedürftig war diese Lok auch für die Tf, aber nach näherer Bekanntschaft werden die, anfänglich etwas herablassend als "Trabi" bezeichneten Maschinen, durchaus geschätzt. Im Gegensatz zu den eingesetzten Einheitsloks der Deutschen Bundesbahn, deren Entwicklung in den fünfziger Jahren stattfand und die Ende der achtziger Jahre bezüglich der Wartung ziemlich vernachlässigt worden sind, ist der Technologiestand der Trabis um 25 Jahre jünger. Unter der etwas altertümlich anmutenden Hülle steckte ein moderner Kern.

Der Anwohner der Schwarzwaldbahn identifizieren die "143er" sehr schnell "im Schlaf". Es fehlen die Schaltgeräusche, dafür wird man vom spontanen Abblasen des Überdrucks aus den Träumen gerissen - nicht nur im Bett, sondern auch auf dem Bahnsteig. Und als Reisender im Zug lernt man die 143er ebenfalls schnell kennen, da sich die Längsschwingungen des Luftpressers über den ganzen Zug ausbreiten und den Sitz vibrieren lassen. Aber, positive Eigenschaften werden ja selten kommuniziert, die Baureihe 143 erweist sich als außerordentlich zuverlässig und ist den Anforderungen (fern der ursprünglichen Heimat) im Mittelgebirge, sogar auf den extremen Steigungen der Höllentalbahn, ohne Einschränkungen gewachsen.

Zweimal Baureihe 143 in Offenburg

In das westdeutsche Nummernschema als BR 143 eingereiht, stehen auf dem Foto oben am 15. Oktober 2002 die 143-geführten Regionalzüge nach Freiburg (im Hintergrund auf Gleis 2) und nach Konstanz (Gleis 5) abfahrbereit in Offenburg. Vor Regionalzügen, aber vereinzelt auch vor Güterzügen, ersetzt die BR 143 überwiegend die Loks der BR 139. Die um 10 km/h höhere Geschwindigkeit und die ganz hervorragenden Beschleunigungwerte ermöglichen Fahrzeitverkürzungen.

Typischer RE auf der Schwarzwaldbahn Anfang der 90er Jahre Der typische Eilzug, später Regional- express, auf der Schwarzwaldbahn der Achtziger- und beginnenden Neunzigerjahre besteht aus drei bis sechs Wagen der Gattungen BDms, ABm oder ABn, mehrere Bn. Die ABn und Bn entsprechen weit- gehend der Ursprungsausführung der Silberlinge. In einigen Zügen werden auch die Ausrüstungen von D-Zügen (später IR) während ihrer Wendezeiten eingesetzt.

Auf dem Foto rechts steht eine 143 mit einem 3-Wagen-Zug, wie er ab 1988 in der zweistündlich durchgebundenen Relation Karlruhe - Konstanz eingesetzt wird: BDms, ABn, Bn. Diese Züge hatten in Offenburg einen langen Aufenthalt zur Verknüpfung mit der IC-Linie Hamburg - Rhein/Ruhr - Mainz - Basel (14 min).

Der Aufnahmestandort ist der ehemalige Bf Niederwasser. Das Ausfahrtsignal nach Triberg stand vor dem Obergieß-Tunnel. Nach der Umstellung auf Tageslichtsignale sind vor dem Tunnel nur noch Vorsig- nalwiederholer zu sehen, das Hauptsignal hängt im Tunnel. Hinter dem Tunnel befindet sich die Überleitstelle (Üst) Niederwasser im Hippensbachtal (siehe auch Bilder unter Tunnelportale - Nr. 13). Der Zug kommt an dieser Stelle nur in Ausnahmefällen zum Stehen, wenn z. B. ab der Üst ein Gleis gesperrt ist. Der Triebfahrzeugführer fährt dann gerade eben in den Tunnel hinein, um das Signalbild zu sehen, die Fahrgäste stehen aber "draußen" und können das schöne Empfangsgebäude des ehemaligen Bf Niederwasser, weit ab vom Ortskern gelegen, bewundern.

RE mit 143 fährt am Gaisloch talwärts Auch 2006 fährt Lok 143 312 noch Wendezüge auf der Schwarzwaldbahn, hier an Ostern auf der erst wenige Tage vom Schnee befreiten Strecke am Gaisloch-Tunnel.

Aufgrund ihrer Wendezug- fähigkeit findet die BR 143 für nahezu zehn Jahre ein weiteres Betätigungsfeld im Wiesental, indem sie dort die BR 141 (von der die Bevölkerung nichts mehr hören wollte ...) er- setzt. Mit Übernahme des Gesamtverkehrs der Linien 5 und 6 der Regio-S-Bahn am 15.06.2003 durch RPZ- Triebwagen der SBB werden Loks und Steuerwagen freigesetzt. Diese Steuerwagen fahren fortan auf der Schwarzwaldbahn, im Regelfall aber mit einer 110 oder 111 am Zug. Durchaus häufig sind allerdings auch noch Loks der BR 143 als Ersatz auf ihrer angestammten Strecke unterwegs.

Nichts mehr zu tun für die 43er?

Ab 10. Juni 2001 werden die wegfallenden IR durch IRE (Interregio Express, Zug des Nahverkehrs) ersetzt. Mit wenigen Ausnahmen verkehren die Züge im angenäherten Stundentakt zwischen Karlsruhe und Konstanz (siehe Teil 3). Aber erst ab Dezember 2002 wird die BR 143 weitgehend von der Schwarzwaldbahn verdrängt. 21 Loks der BR 110 werden von Saarbrücken zum DB Regio Werk Freiburg umstationiert, darunter viele mit Wendezugsteuerung. 2004 übernehmen wiederum frei gesetzte 111er etwa die Hälfte der 110er-Pläne auf der Schwarzwaldbahn (mehr dazu ab Teil 4). Nichts zu tun mehr für die "43er" zwischen Karlsruhe und Konstanz? Weit gefehlt! Spätestens im Herbst, wenn die schiebenden Loks wieder Flachstellen auf glitschigen Schienenköpfen sammeln, dürfen sie wieder auf die Strecke. Und sie können, obwohl nur als Ersatz herangezogen, durchaus mithalten. Geringe Verspätungen ergeben sich überwiegend auf der Rheintalbahn, wo sie mit 120 km/h zwischen Karlsruhen und Offenburg etwa zwei bis drei Minuten "verbummeln." Aber da wirkt sich das zweigleisige Nadelör zwischen Rastatt und Rastatt-Süd viel gravierender auf die Verspätungslage aus.

Die Lok 143 308 hatte die "Ehre" am 7. Dezember 2006 als letzte Lok im Laufplan der BR 110 das RE-Paar 4709 / 4718 über die Schwarzwaldbahn von Karlsruhe nach Konstanz und zurück zu fördern. Einen Tag später, und damit zwei Tage vor dem Fahrplanwechsel, hatte bereits die Lok 146 232 mit Doppelstockwagen die Leistung übernommen. Diese Ausrüstung war als erste am 5. Dezember in den 110er-Plan eingedrungen und hat damit die Umstellung auf die "neue Schwarzwaldbahn" eingeleitet. Die genannte 143er war auch vor dem letzten Fahrradzug am 3. Oktober 2006 im Einsatz. Sie lief damit, auf der Fahrt von Donaueschingen nach Karlsruhe, vor dem bundesweit letzten von DB Regio im öffentlichen Planverkehr eingesetzten BDms.


Heiner Bächle auf dem Führerstand der BR 243 / 143 Eng verbunden mit dem Erfolg der BR 143 im Westen ist ein außergewöhnlicher Eisen- bahner. Als erster Lokführer der Deutschen Bundesbahn legt Heinrich Bächle 1990 in der DDR, beim BW Leipzig, eine Prüfung für die Baureihe 243 der Deutschen Reichs- bahn ab. Bächle holte dann die ersten Exemplare dieser Lokomotiven zum BW Mann- heim und nach Offenburg.

Foto rechts: Heiner Bächle (†) auf dem Führerstand der Lok 143 953.

Siehe auch Eisenbahner des Tages

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