SCHIENE regional - Bahnthemen Südwest

© 2021 Frank-D. Paßlick, Biberach (Baden)
 

Streckenmeldungen 2014-2019

KBS 721  Offenburg - Hausach - Freudenstadt Hbf
KBS 720  Offenburg - Hausach - Hornberg
KBS 718  Offenburg - Appenweier - Bad Griesbach
KBS 719  Offenburg - Kehl - Strasbourg
KBS 722  Biberach (Baden) - Oberharmersbach-Riersbach
KBS 717  Achern - Ottenhöfen

 
siehe auch:
Streckenmeldungen Ortenau-S-Bahn 2013 mit Rückschau auf die Entwicklung seit der Regionalisierung
Eisenbahn-Kreisverkehr:  Freudenstadt - Offenburg - Appenweier - Bad Griesbach
 

Stand: 03.2021


Innovationen im Schienenverkehr

Die spurtstarken Dieseltriebwagen RegioShuttle von ADtranz (RS1) waren Ende der Neunzigerjahren die neuen "Retter der Nebenbahnen" in Baden-Württemberg. Gegenüber den roten Schienenbussen konnten sie mit einer "sagenhaften" Beschleunigung und mit 120 statt 90 km/h Höchstgeschwindigkeit punkten. Die Lückenbüßer zwischen dem roten Brummer und den hochmotorisierten RS1, die Triebwagen mit Steuerwagen der Baureihe 628/928, waren nur für das Flachland geeignet. Hingegen bewährte sich ihr kleiner Bruder der BR 627 als Bergsteiger zwischen Hausach und Freudenstadt vorzüglich. Der Autobauer Daimler-Benz (der in ADtranz den zweiten Großbuchstaben hinterließ) verabschiedete sich allerdings recht bald wieder aus dem Bau von Schienenfahrzeugen. Der Traum, Fahrzeugteile aus Bussen des Straßenverkehrs in Schienenfahrzeuge zu übernehmen, ging nicht wunschgemäß auf.

ORTENAU-S-BAHN nachts in Offenburg Foto f-dpa

Das Markenzeichen "Ortenau-S-Bahn" der SWEG, in großen Lettern auf den Fahrzeug-Längsseiten oberhalb der tiefliegenden Festerreihen der RegioShuttle unübersehbar angebracht, bewirkten ihren angedachten Zweck: Die Abkürzung OSB für Ortenau-S-Bahn wurde zum Synonym für einen modernen Nahverkehr auf der Schiene. Ein stündlicher Grundtakt mit zusätzlichen Verdichtern in den HVZ wurde zum gut angenommenen Erfolgsmodell. Die Übernahme des Verkehrs im oberen Kinzigtal bis nach Freudenstadt vervollständigte das befahrene Netz.

Ein erheblicher Schönheitsfehler des OSB-Betriebs wird nun, nach 25 Jahren, im Juni 2023 (Test- und Einweisungsfahrten für Tribefahrzeugführer) und am Dezember 2023 im öffentlichen Verkehr beseitigt: Die Fahrt mit Dieselmotoren unter Fahrdraht zwischen Appenweier und Hausach und zwischen Appenweier und Kehl/Strasbourg (mit einzelnen Fahrten auch zwischen Lahr und Offenburg und Appenweier und Achern). Weder das obere Kinzigtal noch Renchtal sind derzeit oder in naher Zukunft für eine Elektrifizierung vorgesehen. Die durchgehenden Verkehre vom Oberzentrum Offenburg ins Renchtal und im oberen Kinzigtal nach Freudenstadt sind aber unverzichtbare Bestandteile des ÖPNV-Angebots im Ortenaukreis (mit Übergang in die Kreise Rottweil und Freudenstadt). Diese an sich missliche Situation wird nun vom Landesverkehrsministerium für eine Traktions-Innovation genutzt.
 

Der nachfolgende Absatz enthält Auszüge einer Pressemeldung des Landesministeriums vom 02.08.2019:

Batterie-elektrifizierte Züge zukünftig im Ortenau-NETZ

Auftragsvergabe für Fahrzeuge mit innovativer und lokal emissionsfreier Antriebstechnologie an Siemens

"Das Land Baden-Württemberg beabsichtigt, die Beschaffung von 20 Batterie-elektrischen Nahverkehrszügen im NETZ 8 Ortenau an die Siemens Mobility GmbH zu vergeben."

"In der deutschlandweit ersten technologieoffenen Ausschreibung von lokal emissions- freien Fahrzeugen hat das Land die landeseigene Gesellschaft Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg (SFBW) beauftragt, neue, lokal emissionsfreie Züge als Alternative zu herkömmlichen Dieselfahrzeugen für das NETZ 8 Ortenau zu beschaffen. Diese Fahrzeuge sollen auf Strecken mit und ohne Oberleitung eingesetzt werden können."

"Die Besonderheit dieser Ausschreibung besteht darin, dass Siemens Mobility GmbH die Fahrzeuge nicht nur liefert, sondern über einen Zeitraum von 29,5 Jahren hinweg auch wartet und instand hält. Der Betrieb des Netzes - und damit die Suche nach einem Eisenbahnverkehrsunternehmen, das die Züge fährt - wird separat ausgeschrieben, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt." Es soll vermieden werden, dass ein Fahrzeugwechsel mit gänzlich neuer Technologie gleichzeitg mit einem möglichen Betreiberwechsel stattfindet.

"Da wir mit dem Einsatz von innovativen und lokal emissionsfreien Zügen technologisch Neuland betreten, wollten wir auch sicherstellen, dass die Fahrzeughersteller für die gesamte Lebensdauer der Fahrzeuge einzustehen haben", sagte Verkehrsminister Winfried Hermann. Er fügte hinzu: "Die Hersteller müssen für die ständige Verfügbarkeit der Fahrzeuge im täglichen Einsatz sorgen und es gibt empfindliche Vertragsstrafen, falls sie dies nicht einhalten sollten."

Darüber hinaus müssten die Hersteller auch für den Energieverbrauch und für die Energiekosten während der gesamten Vertragsdauer im Rahmen des 'Lebenszyklusmodells' einstehen. Dieses Modell wird damit erstmalig in Baden-Württemberg im Rahmen einer Beschaffung der SFBW realisiert.

Der Batterie-elektrische Zug Mireo Plus B von Siemens Mobility GmbH hat sich gegenüber allen anderen Wettbewerbern im Ausschreibungsverfahren als wirtschaftlichstes Angebot, und damit auch gegenüber der Brennstoffzellentechnologie, durchgesetzt. Die Fahrzeuge werden, beginnend mit der vorgesehenen Inbetriebnahme einzelner Triebzüge ab Juni 2023, bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 vollzählig und betriebsbereit ausgeliefert ausgeliefert.


Die vorstehenden Auszüge der Pressemitteilung enthalten eine ganze Reihe innovativer Vorgehensweisen im Umgang mit neuen Technologien und Fahrzeugbeschaffungen. Die Trennung von Betreiber, Fahrzeug und Wartung derselben erhöht die Flexibilität für Ausschreibungen, ohne Abhängigkeit zwischen Betreibern und Fahrzeugen.

An dieser Stelle erlaube ich mir die innovative Vorgehensweise des Ministeriums und der Landesregierung ausdrücklich zu loben. Die hier nicht genannten Fahrzeugreserven und Lokführer-Pools werden in Zukunft ein zusätzlicher Garant für zuverlässigen ÖPNV auf der Schiene sein.

Die Entscheidung für die Batterie-elektrischen Züge kann der Autor wegen nicht zureichender Kenntnisse der tatsächlichen Entscheidungsgründe nicht bewerten. Allerdings halte ich persönlich die weiter unten beschriebende Wasserstofftechnik langfristig betrachtetfür zukunftsfähiger, als die Batterie-Technik (ganz abgesehen vom vollkommen falschen Begriff Batterie, denn es handelt sich natürlich um einen Akkumulator). Ein Einsatz der H2-Technik ist allerdings besonders dann sinnvoll, wenn es in bestimmten Zeiten ein Überangebot an elektrischer Energie gibt. Die Standorte der großen Windparks im Nordosten Niedersachsens und in Schleswig-Holstein könnten in diesem Sektor tätig werden. Ergänzend soll hier auf die entstehende H2-Forschungseinrichtung in unmittelbarer Nähe zum Laufwasser-Kraftwerk Whylen am Hochrhein hingewiesen werden.

Nach Aussagen von Johannes Emmelheinz (SIEMENS Mobility GmbH), die in den "Mireo Plus B"-Triebzügen verwendeten Akkumulatoren können während der Wartung repariert werden. Es ist eine Nutzungsdauer von 15 Jahren vorgesehen - das entspricht zwei Akku-Sätzen während der gesamten Nutzungsdauer der Fahrzeuge..


 
TED-Ausschreibung des Netzes 8 BW (Auszug Stand: 190205) - hier ein Auszug:
ted.europa.eu 2019/S 025-055668

II.1.1 Bezeichnung des Auftrags: Verkehrsdienstleistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) - Netz 8 Ortenau

II.1.4 Kurze Beschreibung: Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) im Netz 8. Der Leistungsumfang beträgt voraussichtlich rund 2,1 Mio. Zugkilometer pro Jahr.
Die Betriebsaufnahme ist im Dezember 2022 vorgesehen. Die Vertragslaufzeit (Bruttovertrag) beträgt voraussichtlich 13 Jahre.

[…]

II.2.4 Beschreibung der Beschaffung: Die Betriebsleistungen umfassen voraussichtlich rund 2,1 Mio. Zugkilometer pro Jahr auf den Strecken
  - Ottenhöfen - Achern,
  - Biberach - Oberharmersbach-Riersbach,
  - Bad Griesbach - Offenburg - Hausach - Freudenstadt / Hornberg.

Für die Leistungen sind durch das EVU Neufahrzeuge einzusetzen. Die Beschaffung der Fahrzeuge erfolgt durch die Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg AöR (SFBW).
Der zwischen dem ausgewählten Bieter und dem Aufgabenträger zu schließende Verkehrsvertrag wird als Bruttovertrag ausgestaltet, d. h. der Aufgabenträger trägt das Risiko der Fahrgeldeinnahmen.
Die SFBW führt ein technikoffenes Vergabeverfahren durch, indem sie die Antriebstechnik für die Fahrzeuge nicht vorgibt, sondern diese im Wettbewerb auswählen wird.
In Betracht kommen voraussichtlich entweder oberleitungsunabhängige elektrische Triebzüge mit Batteriespeichern mit externer Lademöglichkeit oder Brennstoffzellen zur On-Board-Energieerzeugung.
[…]
Der Auftraggeber behält sich vor, im Netz 8 im weiteren Verfahren zusätzliche Leistungen zu bestellen. Dies betrifft Leistungen auf der Strecke Offenburg - Kehl (- Straßburg) in Abstimmung mit dem französischen Besteller.

II.2.7 Laufzeit des Vertrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems
Laufzeit in Monaten: 156
Dieser Auftrag kann verlängert werden: nein

IV.2.2 Schlusstermin für den Eingang der Angebote oder Teilnahmeanträge
Tag: 06/03/2019 Ortszeit: 11:00 Uhr


 

Der andere Weg: Die Brennstoffzelle

SWEG-Aufsichtsrat auf Probefahrt

Nach der Ausschreibung von Netz 8 "Ortenau-S-Bahn" 2013 und der Vergabe am 14.12.2014 für weiter sieben Jahre an die SWEG erfolgten mehrere Erklärungen aus dem Baden-Württembergischen Verkehrsministerium. Im Bereich des Netzes 8, in dem bisher mit Dieselmotoren auf nicht elektrifizierten Strecken, aber im Bereich der Rheintal- und der Schwarzwaldbahn auch unter Fahrleitung gefahren wird, sollen Innovationen im Antriebsbereich im Betrieb eingeführt und erprobt werden.

Welche innovativen Schienenfahrzeuge gibt es derzeit auf dem Markt?

Prof. Dr. Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg, ist Vorsitzender im Aufsichtsrats der Südwestdeutschen Landesverkehrs-AG (SWEG) mit Sitz in Lahr (Schwarzwald). Gemeinsam mit SWEG-Aufsichtsräten und SWEG-Vorstand Johannes Müller unternahm er am 26. Oktober 2018 eine Erkundungsreise nach Bremervörde (Niedersachsen).

Dort setzen die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser Gmbh (evb) seit Mitte September 2018 den ersten Brennstoffzellenzug der Welt im Fahrgastbetrieb ein.

Fahrt im ersten Brennstoffzellenzug der Welt

Das Fahrzeug, der von der Firma Alstom gebaute Coradia iLint, ermöglicht emissionsfreie Mobilität, denn es stößt nur Wasserdampf aus. Es verfügt neben zwei Brennstoffzellen, die Wasserstoff und Sauerstoff in elektrische Energie umwandeln, über zwei große Akkumulatoren, die zusätzlich auch die beim elektrischen Bremsen (Motor im Generatorbetrieb) entstehende Energie speichern. Die Akkumulatoren versorgen den Zug beim Beschleunigen mit elektrischer Energie, zusätzlich zur Brennstoffzelle.

Coradia iLint Foto: Alstom / Michael Wittwer

Die Pressemeldung der SWEG berichtet: Die evb setzt das Fahrzeug im Weser-Elbe-Netz ein - die SWEG-Delegation fuhr auf der Strecke von Bremervörde nach Zeven mit. "Der iLint fährt sehr ruhig, sodass unsere Fahrt reibungslos und sehr angenehm verlief," resümiert Uwe Lahl. Das Fahrzeug sehe von außen wie ein Standardtriebwagen aus; die Akzeptanz bei Fahrpersonal und Fahrgästen sei hoch.

Testeinsatz im Schwarzwald geplant

Aufgrund der positiven Erfahrungen vor Ort mit dem Coradia iLint hat der Vorstand der SWEG beschlossen, das Brennstoffzellen-Fahrzeug in der Ortenau zu testen. "Der Test ist wichtig, weil im Schwarzwald andere Höhenunterschiede zu bewältigen sind, als im norddeutschen Flachland," sagt der SWEG-Vorstandsvorsitzende Johannes Müller.

Der Hintergrund:
Netz 8 Baden-Württemberg Ortenau-S-Bahn. Quelle MVI BW

Das Land Baden-W. plant, voraussichtlich ab Juni 2023, Trieb- züge mit alternativer Antriebstechnologie auf Netz 8 BW (Ortenau-S-Bahn) einzusetzen. Im Netz 8 sind die Teil- strecken von Appenwei- er nach Bad Griesbach (Renchtal), die Strecke Hausach - Schiltach - Freudenstadt (oberes Kinzigtal), die SWEG-Strecken Achern - Ottenhöfen und Biber-ach - Oberharmers-bach-Riersbach ohne elektr. Fahrleitung.

Die Fahrleistungen mit den durch Ausschrei- bung zu ermittelnden neuen Fahrzeugen soll die TRAPICO Schieneninnovations GmbH übernehmen, ein Unternehmen unter dem Dach des SWEG-Konzerns, das jedoch vollständig vom Land kontrolliert wird.

Quellen: Pressemeldung SWEG vom 31.10.2018; Informationen aus dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg vom 30.10.2018.

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30.01.2019:

Erster Brennstoffzellenzug auf Testfahrt im Schwarzwald

Für die Testfahrt wurde die "Schnellstrecke" von Offenburg bis Hausach (bis 140 km/h) ausgesucht, im Anschluss daran aber auch die anspruchsvolle Bergetappe von Hausach bis Freudenstadt. In diesem Teilstück sind 423 der 505 Höhenmeter zwischen Offenburg im Rheintal und Loßburg-Roth (66 Streckenkilometer) nahe Freudenstadt zu erklimmen. Und davon wiederum 339 m auf 19 km zwischen Schiltach und Loßburg-Roth. Im Archiv Streckenmeldungen 2003 finden Sie einen Kurzbericht zu diesem Abschnitt:

(05.06.2003) Streckenmeldung 741 im Telegrammstil: Mäßige Sommerhitze, Neigungs- profil, Untermotorisierung. Das Pärchen VT628 + VS928 nimmt sich zwischen Hausach (241 müNN) und Loßburg (664 müNN) eine Abkühlungspause kurz vor dem Loßburger Tunnel. Hinter Alpirsbach kommt die Tachonadel kaum noch über 30, nach einigen weiteren Kilometern auf der landschaftlich sehr reizvollen Strecke ist Schluss. Die Uhr zeigte 8:10, der Tacho 0, der nächste Kilometerstein 37,7. Mit 17 Minuten Verspätung wird Freudenstadt Hbf erreicht. Ein besonderes Erlebnis, jedoch kein Sonderfall. 628 332-6 ist offensichtlich der Spitzenreiter in puncto Betriebstemperatur. Aber warum fahren diese streckenuntauglichen Gefährte weiterhin diese Dienste?

Ministerialdirektor Dr. Uwe Lahl (MVI BW), Vorsitzender des Aufsichtsrats der Südwest- deutschen Landesverkehrs-AG (SWEG) mit Sitz in Lahr (Schwarzwald), deren Vorstände Johannes Müller und Tobias Harms, sowie eine hochrangige Besetzung von Alstom Deutschland mit deren Geschäftsführer Dr. Jörg Nikutta und Projektmanager Stefan Schrank stehen in Offenburg auf dem Bahnsteig an Gleis 4. Dem blaue Triebzug, der soeben an den Bahnsteig rollt, sieht man nicht auf den ersten Blick an, dass er ein besonderes Fahrzeug aus der großen Lint-Serie von Alstom ist. Die Mäntel der Wartenden sind fest verschlossen und manch ein Kragen ist hochgestellt. Mit anderen Worten: Das Wetter ist ideal für eine Testfahrt entgegen dem Wasserlauf der Kinzig: Im unteren Kinzigtal regnet es bei annähernd stürmischem Wind, im oberen Kinzigtal erwartet den Triebfahrzeugführer des Testzugs viel Neuschnee auf verharschtem Altschnee.

Bei Testfahrten unter schwierigen Bedingungen, hier hauptsächlich die lange Steigungs- strecke im oberen Kinzigtal, werden Ballast-Sandsäcke als Ersatz für Fahrgäste verwendet. Die Verladung der Sandsäcke ist eine Knochenarbeit. Bei dieser Testfahrt kam selbst- verladender Ballast in Form von Ehrengästen und Journalisten zum Einsatz. Eine mutige und gute Entscheidung!

Es geht los...

Bf Offenburg um 11:21 Uhr - das Testobjekt Coradia iLint beginnt seine Fahrt ins Ungewisse beinahe lautlos. Eine gewisse Anspannung ist bei Projektmanager Stefan Schrank und dem Tf bis kurz vor Fahrtbeginn zu erahnen. Im Verlauf der ersten 33 km im unteren Kinzigtal wird die Fahrt allerdings nur durch die, schon seit Monaten bestehenden, Gleislageprobleme ausgebremst: Langsamfahrstelle 60 km/h, wo 140 "Sachen" möglich wären - und auch vom Testfahrzeug gefahren werden könnten.

Allerdings merkt der Chronist, der bewusst über einem Laufdrehgestell Platz genommen hat, die konstruktiven Unterschiede des Coradia gegenüber den vielfach auf der selben Strecke benutzten RS1 der SWEG und den Bombardier-Dostos von DB Schwarzwaldbahn: Das Testfahrzeug verweist auf seinen französischen Charakter, indem es die Störstellen im Gleisoberbau sehr viel gründlicher vertikal und transversal ausschwingt - und den Chronisten damit an die Fahrten vor über 40 Jahren mit dem berühmten 2 CV über holprige Waldwege erinnert. - Oder salopp gesagt: Die freundlichen Verteiler von Getränken und hervorragenden Häppchen waren mit Ihren Tabletts in den Händen heftigem "Wellengang" ausgesetzt.

Ausshreibung mit Verfügbarkeitsgarantie für 25 Jahre

Unterdessen erläuterte MinDir Uwe Lahl vom MVI BW über die Innenlautsprecher die Intensionen des Landes: Der Einstieg in alternative Traktionsarten soll zeitnah umgesetzt werden. Das Netz BW8 (siehe oben) eignet sich für eine Ausschreibung, die unterschiedliche Fahrzeuge mit innovativer Antriebstechnik in den Angeboten zulässt, besonders gut, da es von Flachlandstrecken bis zu anspruchsvollen Bergstrecken mit engen Bogenhalbmessern, sowie Teilstrecken mit und ohne Fahrleitung enthält. Außerdem steht im Netz 8 der Austausch vieler Fahrzeuge (Regio Shuttle RS1) ohnehin an. Eine Festlegung auf eine bestimmte Antriebsart wird es nicht geben, wohl aber die Verwaltung und den Einsatz der Neufahrzeuge durch die TRAPICO Schieneninnovations GmbH (im Hause der SWEG, siehe oben). Neu ist auch die vertragliche Vereinbarung einer Verfügbarkeitsgarantie von 25 Jahren für die zu liefernden (mindestens) 17 Triebzüge.

Uwe Lahl deutete auch an, dass von mindestens einem Mitbewerber auszugehen ist, der sein Fahrzeug noch im Februar 2019 vorstellen wird. Die Angebotsabgabe ist für Ende März festgelegt, die Entscheidung soll im Laufe des Aprils 2019 gefällt werden.

Ausfahrt Lossburger Tunnel Foto Frank/Passlick/f-dpa

Ausfahrt aus dem Loßburger Tunnel in Richtung Freudenstadt - kurz vor dem Scheitelpunkt

Der weitere Fahrtverlauf

Zweifel waren durchaus berechtigt. Wird der Wasserstoff-Zug an der Steigungsstrecke scheitern? Die Leistungsbilanz der beiden Brennstoffzellen, gespeist aus den Wasserstoffdrucktanks (350 bar!), die sich ebenfalls auf dem Dach der beiden Fahrzeugteile befinden, ist mit 2 x 200 kW flachlandtauglich - das habe sie ja schon bewiesen. Zum Vergleich: Jeder Regioshuttle der OSB hat für die Traktionsleistung zwei Verbrennungsmaschinen mit jeweil 257 kW unter dem Fahrzeugboden. Wegen seiner hohen Beschleunigungsleistung und den vielen Haltestellen im Nahverkehr hat er sich ja such so gut verkauft.

Aber das Antriebskonzept des Coradia iLint hat ja noch zwei Joker auf der Hand: Während der Triebzug nach der Beschleunigungsphase so vor sich hin dieselt - Entschuldigung: wasserstofft, können die beiden Brennstoffzellen die beiden Akkus nachladen. Die flüssigkeitsgekühlten 800 V-Akkus unter dem Fahrzeugboden, jewiels mit 111 kWh Speicherkapazität, können einerseits über die Brennstoffzellen, aber insbesondere auch durch die in Rekuperation arbeitenden Fahrmotoren elektrische Bremsleistung bereitstellen und Energie zurückspeisen in die Akkus. Die Dauer-Leistungsabgabe liegt bei maximal 221 kW, eine 40-Sekundenleistung von bis zu 450 kW ist möglich. Es können damit rein rechnerisch bis zu 1300 kW während der Beschleunigungsphasen bereitgestellt werden.

Nach der Ankunft in Freudenstadt Hbf äußerte sich Projektmanager Stefan Schrank zu diesem Thema: "Die Techniker und der Triebfahrzeugführer auf dieser Fahrt neue Erfahrungen sammeln konnten, was den Leistungsmix zwischen den Energien der Brennstoffzellen und der Pufferbatterien betrifft." Das ist auch erforderlich, wenn die Fahrzeiten betrachtet werden.
 

Jörg Nikutta, Geschäftsführer Alstom Deutschland, die SWEG-Vorstände Tobias Harms und ÿJohannes Müller vor Coradia iLint Brennstoffzellenzug/Foto Passlick f-dpa

Gut in Freudenstadt Hbf auf 664 m üNN angekommen (v.l.): Jörg Nikutta, Geschäftsführer Alstom Deutschland, die SWEG-Vorstände Tobias Harms und Johannes Müller vor Coradia iLint Brennstoffzellenzug / Foto: f-dpa

Fahrzeitenvergleich

Um es vorauszuschicken: Es waren zwar viele Bedingungen erfüllt, die einen Vergleich mit dem derzeitigen Regelverkehr möglich machen, andere aber nicht. Der Zug hatte Fahrgastauslastung von (geschätzt) 75%. Verglichen wurden nur die Fahrzeiten auf der (oberen) Kinzigtalbahn, denn zwischen Offenburg und Hausach bestand ja die La, außerdem entfielen die Halte in Gengenbach, Biberach, Steinach und Haslach. Auf der KBS 721 ab Hausach wurde in Wolfach und Halbmeil nicht gehalten, dafür war aber die Haltezeit in Schiltach, wegen Kreuzung mit dem Regelzug, deutlich verlängert. In Schiltach Mitte und Schenkenzell wurde ebenfalls ohne Halt durchgefahren, die Fahrzeit war allerdings auch nahezu drei Minuten kürzer, als die der Regelzüge. Bis Alpirsbach gab es rechnerisch nur eine kleine Fahrzeitabweichung von +1 min gegenüber dem Regelzug..

Untypisch für eine direkte Vergleichsmöglichkeit war die betrieblich bedingte, sehr lange Haltezeitüberschreitung in Alpirsbach. Dadurch war natürlich eine Abkühlpause gegeben, die es im Regelbetrieb, trotz der planmäßigen Kreuzung mit dem Gegenzug, nicht gibt. Die Rampe ab Alpirsbach, mit durchschnittlich 23 ‰ Längsneigung, wurde bereits bei stärkerem Schneefall passiert. In Loßburg-Roth wurde durchgefahren und nach 18 Minuten Freudenstadt Hbf erreicht. Der Fahrplan weist hierfür nur 16 Minuten bei einem Zwischenhalt aus. Im Projektfahrplan Deutschlandtakt sind sogar nur 14 Minuten Fahrzeit bei einem Zwischenhalt ausgewiesen, allerdings bei Übergangszeiten Richtung Hochdorf (6 min) und Freudenstadt Stadtbahnhof / Murgtal (8 min), welche die derzeitigen Übergangszeiten von zwei Minuten deutlich übertreffen.

Für Personal und Material war das die erste Vergleichsmessfahrt im Mittelgebirge. Die Aussage von Stefan Frank (siehe oben; "...noch Erfahrungen sammeln") bedeutet ja, dass die Fähigkeiten des Fahrzeugs noch nicht ausgereizt waren. Eine abschließende Beurteilung wäre daher eine reine Spekulation. Auch das mehrfach bereits gescholtene Lüftergeräusch, das bei großer Beanspruchung der Brennstoffzelle aufgetreten ist, blieb auf der Testfahrt in tolerierbaren Grenzen.

Nach dem Halt des Sonderzugs am Bahnsteig in Freudenstadt Hbf klatschten die geladenen Fahrgäste Beifall. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass einige recht gut informierte Mitfahrer nicht mit einem erfolgreich verlaufenden Test bis zum Ziel gerechnet hatten. Bei den ersten Test- und Einweisungsfahrten der RegioShuttle der Ortenau-S-Bahn, am 24.11.2004 erstmals nach Freudenstadt, wurde auch viel gemunkelt. Es stellte sich rasch heraus, dass sich Peronal und Fahrzeuge bestens bewährt haben - inzwischen über vierzehn Jahre lang.

Alstom Geschäftsführer (Deutschland und Östereich) Dr. Jörg Nikutta hat im Scheinwerferlicht der Kameras Grund zu lächeln. Im verschneiten Freudenstadt angekommen kann er (vielleicht auch erleichtert) der Presse und den drei Fernsehteams - möglichst vor der Frontseite seines Innovationszugs - Rede und Antwort stehen. Foto: f-dpa.


 
2013: Vergabe von Netz 8 Ortenau (Ortenau-S-Bahn) an die SWEG

Keine Überraschung nach der Ausschreibung

Was war ausgeschrieben?

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg hatte im Dezember 2013, auf der Grundlage der seit 1998(2002/2004) von der Ortenau-S-Bahn gefahrenen Leistungen, das Netz 8 ausgeschrieben:
 
Gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr auf den Strecken
- Bad Peterstal-Griesbach – Offenburg (KBS 718),
- Offenburg – Kehl (KBS 719),
- Offenburg – Hausach – Hornberg (KBS 720) und
- Hausach – Freudenstadt Hbf (KBS 721)
mit einem Leistungsumfang von rund 1.828.000 Zugkilometer pro Jahr ab Dezember 2014 und einer Laufzeit bis Dezember 2021.
 
Optional: Verkehrsleistungen auf den Strecken
- Kehl – Grenze – Straßbourg (ca. 113.000 Zugkilometer p.a.)
- Biberach (Baden) – Oberharmersbach-Riesbach (KBS 722), und
- Achern – Ottenhöfen (KBS 717) (ca. 263.000 Zugkilometer p.a.)
mit einem Leistungsumfang von insgesamt etwa 376.000 Zugkilometer pro Jahr.

Angebote mussten bis 28. April 2014 beim Ministerium eingereicht werden. Die detaillierten Ausschreibungsunterlagen, das "sickerte durch", wurden von unterschiedlichen potentiellen Bewerbern angefordert. Es war durchaus denkbar, dass es Interessenten für das Kernnetz der Ortenau-S-Bahn mit konkurrenzfähigen Angeboten gegeben hätte. Die kaum überwindbare Klippe war dagegen der Verkehr über die Grenze nach Frankreich. Die Aufrüstung von Fahrzeugen für die Zulassung auf den wenigen Kilometern in Frankreich kostet Unsummen und kann sich über Jahre erstrecken (DB Regio hat diesbezüglich einschlägige Erfahrungen mit der Zulassung des Triebzugs der BR 628 vor über zehn Jahren gesammelt.) In anderen Bundesländern werden derartige Hinderungsgründe für Angebote konkurrierender Betreiber durch die Trennung zwischen fahrzeugbezogenen Leistungen und der eigentlichen Verkehrsleistung vermieden.

Zuschlag ohne Überraschungen, aber mit einigen Besonderheiten

Kaum verständlich ist die Tatsache, dass die offizielle Entscheidung des Ministeriums erst 37 Tage vor der (erneuten) "Übernahme" der Verkehrsleistung im SPNV durch die landeseigene SWEG für weitere sieben Jahre am 14.12.2014 bekanntgegeben und veröffentlicht worden ist. Der Zuschlag wurde über eine Presseerklärung durch Verkehrsstaatssekretärin Gisela Splett (MdL) am 7. November 2014 erläutert:

"Die Vergabe der Ortenau S-Bahn war verbunden mit technischen Besonderheiten wie den grenzüberschreitenden Verkehr nach Strasbourg/Frankreich und die Flügelung der Züge in Hausach. Angesichts enger finanzieller Spielräume freue ich mich über die erreichten Verbesserungen für die Fahrgäste."

Was ändert sich?

Das Angebot wird an mehreren Stellen ergänzt:
- Zur Ortenau S-Bahn gehören künftig auch die Strecken Achern – Ottenhöfen und Biberach (Baden) – Oberharmersbach-Riersbach. Auf diesen Strecken wird der Verkehr weitgehend zu einem Stundentakt ausgeweitet. Beide Strecken, die bisher von der SWEG eigenwirtschaftlich betrieben wurden, werden künftig vom Land bestellt und damit in ihrem Bestand langfristig gesichert.
- Der Halbstundentakt wird zwischen Offenburg und Strasbourg ausgeweitet. Ein zusätzliches Zugpaar wird eine Angebotslücke am späten Abend schließen.
- Für Schüler wird es eine neue, zusätzliche Fahrt zur ersten Schulstunde von Oberkirch nach Offenburg geben.

Das Highlight ab 14. Dezember: OSB-Bahnhalt am neuen Haltepunkt Freilichtmuseum Vogtsbauernhof

Nach gemeinsamer Fahrt gekuppelter OSB-Triebwagen von Offenburg nach Hausach werden dort die Linien geflügelt. Ein Zugteil fährt, unverändert wie seit 2004, weiter nach Freudenstadt Hbf, ein weiterer auf der neuen Linie zum Haltepunkt Gutach Vogtbauernhof und weiter nach Hornberg. Nach der Wende in Hornberg wird auf der Rückfahrt wieder am Vogtsbauernhof gehalten und schließlich werden die Regio Shuttle der OSB in Hausach wieder mit den von Freudenstadt kommenden Fahrzeuge veeinigt, um gemeinsam nach Offenburg weiterzufahren. Nach annähernd 20 Jahren wird damit ein Wunsch erfüllt, der schon im Nahverkehrsplan des Ortenaukreises 1995 ausdrücklich genannt worden ist.

 
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nvog.de, OSB, Ortnaukreis
 

siehe auch:
Streckenmeldungen Ortenau-S-Bahn 2013 mit Rückschau auf die Entwicklung seit der Regionalisierung
 
Eisenbahn-Kreisverkehr:  Freudenstadt - Offenburg - Appenweier - Bad Griesbach
 
Beitrag zum Jubiläum 10 Jahre OSB (2008)